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Shiatsu, Sat Nam Rasayan und die Kunst der gebundenen Präsenz

  • mrhergarten369
  • 14. Dez.
  • 3 Min. Lesezeit

Ein dialogischer Blick zwischen Körperarbeit, yogischer Stille und jüdischer Ritualtechnik


Shiatsu und Sat Nam Rasayan entstammen unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten – japanischer Körperarbeit einerseits, kundalinī‑yogischer Heilpraxis andererseits. Beide eint jedoch ein gemeinsamer Kern: Heilung geschieht nicht primär durch Technik, sondern durch ausgerichtete Präsenz. Diese Einsicht erlaubt einen vorsichtigen, intellektuell redlichen Vergleich mit dem jüdischen Ritual des Anlegens der Tefillin, ohne Gleichsetzungen zu erzwingen.


1. Shiatsu: Berührung als ordnender Impuls


Shiatsu arbeitet entlang der Meridiane und über Druck, Halten und Lauschen. Zentral ist weniger die Kraft der Berührung als deren Qualität:


  • stabil, nicht invasiv

  • rhythmisch, nicht manipulierend

  • lauschend, nicht erzwingend


Der Praktiker folgt dem Qi, statt es zu dominieren. Heilung wird als Wiederherstellung von Durchlässigkeit verstanden – nicht als Reparatur von außen.

Diese Haltung bringt Shiatsu nahe an ältere ostasiatische Vorstellungen von Heilung als Kosmologie im Kleinen: Der Körper ist ein Ort, an dem Ordnung sichtbar oder gestört wird.


2. Sat Nam Rasayan: Stille als therapeutisches Feld


Sat Nam Rasayan (SNR) geht noch einen Schritt weiter. Hier wird die eigene Stille des Praktizierenden selbst zum Heilmedium. Intervention entsteht nicht durch Technik, sondern durch:


  • radikale Neutralität

  • Präsenz ohne Absicht

  • Zulassen von Empfindung ohne Reaktion


Der Praktiker „tut“ nichts – und gerade darin entsteht Wirkung. In der Sprache des Sat Nam Rasayan wird das Feld entdichtet, bis Selbstregulation möglich wird.

Diese Praxis stellt eine Herausforderung für westlich geprägte Therapieverständnisse dar:

Wirksamkeit ohne Handlung.


3. Ein vorsichtiger Bezug: Tefillin als gebundene Präsenz

Auf den ersten Blick scheinen Tefillin – ein strikt religiöses Ritual – weit entfernt von Shiatsu oder Sat Nam Rasayan. Doch betrachtet man die Funktionslogik, zeigen sich strukturelle Parallelen.

Tefillin bestehen aus:


  • einem körperlich klar definierten Ort (Arm nahe Herz, Kopf)

  • einer zeitlich begrenzten Praxis

  • einer bewussten Bindung (Riemen)

  • und einer inneren Ausrichtung (Kavana)


In der kabbalistischen Deutung sind Tefillin kein magisches Werkzeug, sondern eine Technologie der Ausrichtung: Der Mensch bindet seine Handlungskraft (Arm) und ordnet sein Bewusstsein (Kopf).

Entscheidend ist nicht das Objekt, sondern der Zustand, den das Ritual hervorruft.


4. Gemeinsame Struktur: Halten statt Machen


Zwischen Shiatsu, Sat Nam Rasayan und Tefillin lässt sich eine gemeinsame therapeutisch‑spirituelle Struktur erkennen:


  • Begrenzung statt Entfesselung

  • Halten statt Eingreifen

  • Präsenz statt Technik


Im Shiatsu wird Qi durch Druck und Gegenhalt reguliert. Im Sat Nam Rasayan wird das Nervensystem durch absichtslose Präsenz beruhigt. Bei den Tefillin wird die innere Zerstreuung durch rituelle Bindung gesammelt.

In allen drei Fällen entsteht Wirkung durch geordneten Kontakt.


5. Gibt es direkte historische Bezüge?

Nein – und das ist wichtig.


  • Shiatsu entwickelt sich aus japanischer Körperarbeit und chinesischer Medizin.

  • Sat Nam Rasayan entstammt einer yogischen Linie des 20. Jahrhunderts.

  • Tefillin sind Teil einer jahrtausendealten jüdischen Gesetzes‑ und Mystiktradition.


Es gibt keine historische Linie, die diese Praktiken direkt verbindet. Der Vergleich ist phänomenologisch, nicht genealogisch.

Was sie verbindet, ist eine anthropologische Einsicht: Der Mensch reguliert sich durch Form

.

6. Form, Grenze und Heilung


In einer Zeit, die Freiheit oft mit Entgrenzung verwechselt, erinnern diese Praktiken an etwas Kontraintuitives:


Heilung entsteht nicht durch Mehr, sondern durch Richtig.


  • richtiger Ort

  • richtige Zeit

  • richtige Intensität

  • richtige Haltung


Tefillin, Shiatsu und Sat Nam Rasayan sind bei aller Unterschiedlichkeit


Disziplinen der Angemessenheit.


7. Schlussgedanke


Ob Riemen, Daumen oder Stille: Alle drei Wege lehren, dass der Körper kein Objekt ist, das man optimiert, sondern ein Ort der Ausrichtung.

Nicht der Eingriff heilt. Sondern die Fähigkeit, gegenwärtig zu bleiben, während Ordnung sich neu formt.


In diesem Sinn sind Shiatsu, Sat Nam Rasayan und auf ganz anderer Ebene – die Tefillin Ausdruck derselben leisen Einsicht:


Präsenz ist die feinste Form von Wirkung.


 
 
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