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Experiment Universum 25. Im Kontext des Überflusses verliert das Leben seinen Sinn.

  • mrhergarten369
  • vor 4 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Einleitung


In den 1960er und 70er Jahren führte der US-amerikanische Verhaltensforscher John B. Calhoun eine Reihe von Experimenten durch, in denen er die Auswirkungen von Überbevölkerung auf das Verhalten von Tieren untersuchte. Das bekannteste dieser Experimente war Universum 25, das 1972 durchgeführt wurde. Es gilt bis heute als eines der eindrucksvollsten Beispiele für sozialen Zerfall unter idealen materiellen Bedingungen. Calhoun wollte damit nicht nur das Verhalten von Mäusen erforschen, sondern mögliche Rückschlüsse auf menschliche Gesellschaften ziehen.


Aufbau des Experiments


Universum 25 war ein künstlich geschaffener Lebensraum für Mäuse. Das Gehege war klimatisiert, regelmäßig gereinigt und frei von natürlichen Bedrohungen. Nahrung und Wasser waren unbegrenzt vorhanden. Die ersten Bewohner des Systems waren acht Mäuse – vier Männchen und vier Weibchen. Ziel war es, zu beobachten, wie sich die Population entwickelt, wenn keine äußeren Gefahren oder Versorgungsengpässe bestehen. Theoretisch konnten bis zu 3840 Mäuse in diesem Raum leben.


Verlauf und Verhaltensveränderungen


Anfangs verlief die Entwicklung erwartungsgemäß. Die Mäuse gewöhnten sich an ihre Umgebung und vermehrten sich rasant. Doch nach einer gewissen Zeit zeigten sich erste auffällige Verhaltensänderungen. Männchen begannen, sich entweder zurückzuziehen oder zunehmend aggressiv zu verhalten. Weibchen vernachlässigten ihren Nachwuchs, griffen ihn sogar gelegentlich an oder zogen sich ebenfalls vollständig zurück.

Es bildeten sich soziale Spannungen, es kam zu Revierkämpfen, Verdrängung, übermäßiger Körperpflege, Passivität und sogar Kannibalismus. Besonders auffällig war die Entstehung einer Gruppe, die Calhoun als die „beautiful ones“ bezeichnete – äußerlich makellose Mäuse, die sich vollständig aus dem sozialen Leben zurückzogen, sich nicht mehr fortpflanzten und scheinbar nur noch mit sich selbst beschäftigt waren. Die Geburtenrate ging drastisch zurück, obwohl alle äußeren Bedingungen weiterhin ideal waren.


Der Zusammenbruch


Mit der Zeit nahm die soziale Degeneration weiter zu. Die letzten Generationen von Mäusen hatten keine funktionierenden Vorbilder mehr für normales Verhalten. Sie konnten weder stabile Gruppen bilden noch sich sinnvoll fortpflanzen. Die Population erreichte schließlich einen Punkt, an dem keine neuen Nachkommen mehr geboren wurden. Trotz perfekter Versorgung starben alle Tiere aus. Das Experiment endete mit dem vollständigen Zusammenbruch der Gesellschaft.


Deutung und Bedeutung


Calhoun prägte für dieses Phänomen den Begriff „behavioral sink“, was sinngemäß als „Verhaltensabgrund“ übersetzt werden kann. Seine These war, dass nicht materielle Knappheit zum Untergang einer Gesellschaft führt, sondern der Verlust sozialer Struktur, von Rollen, Herausforderungen und sinnstiftenden Beziehungen. In einer Welt ohne echte Notwendigkeit oder sozialen Zusammenhalt droht ein schleichender Verfall von innen heraus.

Er sah in Universum 25 eine Warnung für moderne menschliche Gesellschaften – insbesondere in dicht besiedelten, urbanen Räumen. Wenn grundlegende soziale Funktionen verloren gehen und das Leben nur noch von Konsum und Selbstbezogenheit geprägt ist, könne dies langfristig zu einem Zerfall des sozialen Gefüges führen.


Kritik und Einordnung


Viele Wissenschaftler und Soziologen sehen Calhouns Schlussfolgerungen kritisch. Mäuse und Menschen unterscheiden sich grundlegend in ihrer sozialen Komplexität, ihrer Kultur und ihrem Bewusstsein. Die künstlichen Bedingungen des Experiments lassen sich nicht eins zu eins auf menschliche Gesellschaften übertragen. Zudem war das Verhalten der Tiere durch fehlende geistige Reize und ein monotones Umfeld mitgeprägt – Aspekte, die bei Menschen durch Bildung, Kreativität und Kommunikation kompensiert werden können.

Trotz dieser Einwände hat Universum 25 bis heute eine starke symbolische Wirkung. Es regt dazu an, über den Sinn von Überfluss, sozialen Zusammenhalt und den Wert von Gemeinschaft nachzudenken.


Fazit


Universum 25 zeigt auf eindrückliche Weise, dass ein Leben in Wohlstand allein nicht ausreicht, um eine gesunde und funktionierende Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Ohne soziale Bindungen, sinnstiftende Aufgaben und gelebte Rollenbilder verkümmern selbst die vitalsten Lebewesen. Die Studie ist keine exakte Vorhersage für die Menschheit, aber eine provokante Metapher für die Risiken einer entkoppelten, isolierten und überversorgten Gesellschaft.

 
 
 

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